Klassik: Die Mannheimer Hofkapelle begeistert vor heimischer Kulisse im Rittersaal des Schlosses
Faszinierende Rückbesinnung
Von unserem Mitarbeiter Eckhard Britsch
Es tut sich was in der Quadratestadt, denn der Stolz darauf, vor rund zweieinhalb Jahrhunderten das beste Orchester Europas beherbergt zu haben, schlägt sich zunehmend nieder in der Rückbesinnung auf alte Tugenden: So zu spielen, dass es die Leute möglichst von den Sitzen reißt, weil ein - wahrscheinlich - authentischer Klang von der heute üblichen Politur zurückführt auf ein durch Affekte angereichertes Erlebnis, das zum Hinhören verführt.
Anlässlich des 400. Geburtstags der Stadt Mannheim gründete sich vor drei Jahren ein neues Barockorchester unter dem ebenso ambitionierten wie anspruchsvollen Namen Mannheimer Hofkapelle. Dieser Klangkörper musiziert unter seinem Leiter Florian Heyerick so wie einst, am originalen Schau-und Hörplatz, und will die Faszination der höfischen Musik aus dem 18. Jahrhundert wieder neu vermitteln.
Historischer Zauber
Am Wochenende begeisterte die Hofkapelle in kleinerer Besetzung. Neben der Entdeckungsreise (wer verband schon mit dem Namen "Anton Fils" irgendwelche Musik?) entwickelten das Feuer und Temperament, die Virtuosität und das Feingefühl der Musiker sowie ihre Vertrautheit mit historischer Aufführungspraxis einen großen Zauber. Da wird nichts glatt gebügelt, sondern aus dem Originalklang (Naturhörner; Traversflöten; Streicherspiel weitgehend ohne Vibrato) entsteht ein weit gefächertes Angebot an empfindsam aufbereiteter Musik.
Florian Heyerick hat neben vielen andern Verdiensten und Aktivitäten wieder verstärkt auf das Schaffen des Darmstädter Hofkapellmeisters und Bach-Zeitgenossen Christoph Graupner aufmerksam gemacht. Dessen viersätzige Sinfonia in G-Dur bildete den idealen Einstieg, denn das Pendeln des Vielschreibers zwischen Barock und Frühklassik führte nicht ins Labyrinth stilistischer Unsicherheit, sondern zur eigenständigen Ausdrucksform. Kontrastreich und mit originellen Akzenten versehen, mit Biss in den Ecksätzen und einer Flöten-Seligkeit zu den Streicher-Pizzikati im Largo hinterließ das Stück einen äußerst vitalen Eindruck.
Noch ein Frühvollendeter in der an vorzeitigen Sterbefällen so reichen Musikgeschichte: Anton Fils (1733-1760), Cellist der kurpfälzischen Hofkapelle und Verfasser von gut 300 Werken. Seine Es-Dur Sinfonie, die den Abend beschloss, besticht durch Schwung und Grazie, durch Feuer im Finale und wiegende Biegsamkeit im Menuett. "Pracht und Volltönigkeit ... Neuheit in den Einfällen und Wendungen", die seinerzeit Christian Friedrich Daniel Schubart beschrieb, erlebten köstliche Wiederauferstehung. Mindestens ebenso bemerkenswert aber auch das Cellokonzert (C-Dur) von Anton Fils, dem Kristin von der Goltz über dem kontrastfrohen Fundament des Orchesters auf Originalinstrumenten technische Brillanz und eine bestens austarierte Palette des Ausdrucks zwischen Herbheit und Süße plus virtuoser Kadenz im Kopfsatz zur Verfügung stellte.
Solistischer Glanz
Die Cellistin präsentierte zudem zwei Solo-Capricen von Joseph-Marie-Clément Dall'Abaco (1710-1805), einem der ersten Reisesolisten: in sich gekehrte Stücke, die dem Violoncello ariose Zwiesprache mit dem Atem der Musikgeschichte ermöglichen. Das Konzert für zwei Blockflöten und Orchester von Joseph Haydn zeigte dann die solistischen Qualitäten von Monika Scholand und Florian Heyerick, die den eingängigen Dreisätzer in all seinem Charme, seiner Serenaden-Helle und durchsonnt-witzigen Instrumental-Dialogen auskosteten. Auch Konzertmeisterin Swantje Hoffmann durfte sich hier profilierend einschalten.
Der Klang von Zauberflöten war hier zu hören, wann bietet das schon ein Konzert, das zudem vom Genius Loci beflügelt wurde? Das Publikum im Rittersaal war begeistert von einem auch durch Heyericks Moderation überzeugenden Abend und bekam das Haydn-Presto mit einem Gassenhauer-Ohrwurm noch einmal als Zugabe serviert.
Mannheimer Morgen, 30. August 2010 | (Download als pdf: 900Kb)
Heißes Flötenfeuer
Barockkonzert im Mannheimer Schloss
Von Gerd Kowa
Der Klang des Orchesters machte sofort hellhörig...
Es ist schön, unbekannte Stücke entdecken zu können...Heyerick und seine Kollegin Monika Scholand entfachten dabei ein Blockflötenfeuer, wie man es sich heißer nicht vorstellen kann...
Rheinpfalz, 30. August 2010 | (Download als pdf: 150Kb)
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