CD - Renzension - Ch. Graupner "Ein Weihnachtsoratorium"
Christoph Graupner: "Ein Weihnachtsoratorium"
Mit der Mannheimer Hofkapelle
Ein Weihnachtsoratorium ist kein Weihnachtsoratorium. Denn um es gleich vorweg zu nehmen: Weder handelt es sich bei dieser CD um ein Weihnachtsoratorium, noch bei der berühmten Komposition von Johann Sebastian Bach um ein solches. Beide Male steht uns lediglich eine Folge von selbständigen Kantaten vor Ohren. Im Falle von Bach betrifft sie den Weihnachtsfestkreis von 1735; hinter dieser Kompilation verbirgt sich auf jeden Fall der Wille des Komponisten.
Im Falle der vorliegenden Graupner-CD muss man hingegen eine willkürliche Kompilation konstatieren, denn sie umfasst Werke mit großer zeitlicher Distanz und enthält zudem Adventskantaten des Darmstädter Hofkapellmeisters. Die Editoren bekennen freimütig ihre Absicht, durch diese milde Form des Etikettenschwindels der Bachschen Pseudo-Etikette die Stirn bieten zu wollen!
Im Hinblick auf Graupner pflegt man gemeinhin anzumerken, dass die Leipziger Administration ihn als Thomaskantor bevorzugt hätte: Papperlapapp! Bach war der überragende "Tonsetzer" seiner Zeit; in der kontrapunktischen Kunst war ihm keiner überlegen. Graupner war ein exzellenter "Klangschöpfer" - und in diesem Vermögen übertraf er vielleicht noch Telemann, der ebenfalls in Leipzig größere Chancen (als Bach und Graupner zusammen) hatte.
Durch die Kombination von Singstimmen und unterschiedlichen instrumentalen Klangfarben gelingt Graupner jeweils eine eindrückliche rhetorische Verlebendigung des zu vertonenden Textes. Bachs Musiksprache ist auch bei der kompositorischen Gestaltung eines Textes immer eine "l'art pour l'art" - und gewiss auch deshalb eine konfessions- und zeitlos rezipierbare Kunst. Die rein instrumentale Darbietung einer einschlägigen Komposition (Chor oder Arie) kann stets eine ästhetische Autonomie beanspruchen, weshalb es man auch von vokalen Kompositionen Bachs mit Erfolg "Instrumentals" herstellen kann. Anders so bei Graupner (und auch Telemann). Hier gilt der Luthersche Grundsatz: "Die Noten machen den Text lebendig."
Aber gerade diese, den Text darstellende Musik verlangt erfordert eine interpretatorische Darstellung des Tonsatzes im vokalen und instrumentalen Bereich auf allerhöchstem Niveau. Dies leistet die vorliegende CD auf exemplarische Art und Weise. Allerdings muss man sich als Hörer mit gleicher Aufmerksamkeit der Musik und dem Text zuwenden. Wenn man dies tut, begreift man die Präferenz der Leipziger Administration, denn sie identifizierten sich (noch) mit der kirchenmusikalischen Doktrin Luthers, der Graupner mehr entsprach als Bach.
Bernhard Morbach, kulturradio
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